Arthrose – ein Stiefkind der Forschung

„Die Arthrose ist ein Stiefkind der Forschung“, sagte Prof. Dr. Thomas Pap aus Münster beim 124. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Mannheim. Das zeige sich auch bei der Therapie, die sich in den letzten 40 Jahren – mit Ausnahme von operativen Fortschritten – kaum verändert habe. Neue medikamentöse Therapieansätze fokussieren darauf, die regenerative Potenz von Knorpelzellen zu verbessern.

„Arthrose ist keine Abnutzungserkrankung, sondern eine degenerative Gelenkerkrankung mit aktiver Zerstörung von Knorpelzellen“, betonte der Rheumatologe. Gesunder Knorpel reibe nicht von oben ab. Die Krankheitslast durch Arthrose hat nach Angaben von Pap in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Die Prävalenz steige mit zunehmendem Alter bis auf über 50 % in der Altersgruppe ab 70 Jahren. Auch die volkswirtschaftlichen Kosten der Erkrankung seien beträchtlich und lägen bei mehr als 7 Mrd. Euro jährlich. Rund 10 Mio. AU-Tage pro Jahr seien auf die Erkrankung zurückzuführen.

Pathogenetisch werden 3 Krankheitsdimensionen unterschieden: Strukturschaden, Entzündung und Schmerzen. Es sei allerdings bisher noch unklar, in welchem Maße diese 3 Dimensionen miteinander korrelierten, sagte Pap. In klinischen Arthrose-Studien werde inzwischen auf den Strukturschaden fokussiert. Die Patienten könnten aber nicht damit beruhigt werden, dass sich der Strukturschaden in Grenzen halte, wenn die Schmerzen beträchtlich seien.

In der Pharmakotherapie dominiere nach wie vor die symptomatische Behandlung, in erster Linie in Form von NSAR. „Es gibt keine effektiven krankheitsmodifizierenden Arthrose-Medikamente (Disease-modifying osteoarthritis drugs, DMOADs)“, betonte der Rheumatologe. Wesentlicher Grund dafür sei, dass es lange Zeit kaum konzeptionelle Fortschritte in der Pathogeneseforschung gab. Inzwischen gibt es mehrere Hypothesen zum Verlauf des degenerativen Umbauprozesses des Gelenkknorpels, die künftig auch zu neuen Therapien führen könnten.

Hypothese 1: Von der Knorpelmatrix gehen permanent Signale an die Knorpelzelle, Chondrozyt zu bleiben. Bleiben diese Signale aus, wandeln sich Chondrozyten in Osteoblasten um oder sterben den programmierten Zelltod (Apoptose). Die Auslöser für diesen Prozess seien vermutlich vielfältig, so Pap. Nachgewiesen wurde bereits, dass es bei Stress zu einem Verlust an Transkriptionsfaktor im Knorpelgewebe kommt, der mit einem Verlust des „Status Knorpelzelle“ einhergeht. Der Verlust der phänotypischen Stabilität von artikulären Chondrozyten ist laut Pap ein zentrales Ereignis in der Ostheoarthritis-Pathogenese der Arthrose.

Hypothese 2: Die Exprimierung des Transkriptionsfaktors wird über Chemokine gesteuert. Ebenfalls in Tiermodellen konnte gezeigt werden, dass die Freisetzung des Chemokins CXCL6 im gesunden Knorpel während der Arthroseentstehung verlorengeht. Es wird dadurch nach Angaben von Pap ein embryonales Programm initiiert, das eine enchondrale Ossifikation in Gang setzt. Bei jedem Arthrose-Patienten komme es zur Ablagerung von Hydroxylapartit in den Gelenken, ähnlich wie bei der Knochenbildung, die mit dem Schweregrad der Arthrose korreliere.

Hypothese 3: Im Rahmen dieses Umbauprogramms werden Knorpelzellen empfindlich für Entzündungssignale, die bei Stress aktiv sind. Die Sensitivität für Zytokine wird gesteigert, der Gelenkumbau beschleunigt – „ein Teufelskreis“, so Pap. Dies erkläre, dass ein Arthroseprozess im Verlauf schwer zu stoppen sei.

Großen Anteil an den Umbauprozessen hat vermutlich auch das Oberflächenprotein Syndecan-4 auf Knorpelzellen: Es werde nur im entwickelnden Gelenk exprimiert und sei bei Arthrose-Patienten hochreguliert, erklärte Pap. Die Blockade der Syndecan-4-Ausschüttung könnte sich zu einer neuen Therapiestrategie bei Arthrose-Patienten entwickeln. „Mäuse ohne Syndrecan-4 entwickeln keine Arthrose“, sagte Pap. Auch mit Antikörpern gegen Syndecan-4 wurden im Tiermodell bereits vielversprechende Ergebnisse erzielt.

Quelle

  • DGIM, Sitzung „Was ist neu in 2018?“, Mannheim, 14.04.2018, Prof. Dr. Thomas Pap, Münster: „Arthrose – noch immer ein Stiefkind der Forschung?“