ASV nach § 116b SGB V – erweiterte extrabudgetäre Wege für Rheumatologen

von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. T. Scholl-Eickmann, Dortmund und RAin, FAin für MedR Dr. C. Thissen, Münster, kanzlei-am-aerztehaus.de

Mit der Neufassung des § 116 SGB V wurde der Grundstein für eine neue sektorenübergreifende Versorgungsstruktur gelegt. Auch wenn die weitergehende Ausgestaltung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bislang nur für einzelne von der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) erfasste Krankheitsbilder abgeschlossen ist, sollten derzeit insbesondere Rheumatologen einen Blick auf die sich neu ergebenden Möglichkeiten werfen. Dies gilt umso mehr, als die „ASV-fähigen“ Krankheitsbilder sehr weit gefasst werden. Wer an der neuen Versorgungsform teilnehmen möchte, ist gut beraten, die Weichen jetzt zu stellen. Denn der G-BA hat angekündigt, die ASV-Voraussetzungen für die rheumatologischen Krankheiten vorrangig zu konkretisieren; mit einer Veröffentlichung ist in absehbarer Zeit zu rechnen. Die ASV steht für die rheumatologischen Krankheiten somit in den Startlöchern und eröffnet nicht nur Krankenhäusern und den dort angestellten Chefärzten, sondern auch den niedergelassenen (Fach-)Ärzten neue Optionen und extrabudgetäre Verdienstmöglichkeiten in der ambulanten Versorgung.

Welche Krankheitsbilder dürfen im Bereich der Rheumatologie im Rahmen der ASV behandelt werden? 

In der ursprünglichen Gesetzesfassung war das Spektrum der ASV für rheumatologische Erkrankungen auf schwere Verlaufsformen begrenzt. Diese Einschränkung wurde zwischenzeitlich aufgehoben, sodass nun alle chronisch-entzündlichen Rheumaformen erfasst werden, wodurch die ASV besonders im niedergelassenen Bereich nachhaltig an Attraktivität gewinnt. Es ist gleichwohl davon auszugehen, dass die ASV-fähigen rheumatologischen Krankheitsbilder durch Benennung von ICD-10-Ziffern spezifiziert werden.

Wer darf an der ASV teilnehmen? 

An der ASV können Vertragsärzte und zugelassene Krankenhäuser teilnehmen, soweit sie die Voraussetzungen nach den Richtlinien und den für das jeweilige Krankheitsbild geltenden Konkretisierungen des G-BA erfüllen. Die Teilnahme muss unter Beifügung entsprechender Belege gegenüber dem (um Vertreter der Krankenhäuser) erweiterten Landesausschuss angezeigt werden. Die Kontaktdaten der einzelnen Ausschüsse sind u. a. auf der Homepage des Bundesverbandes ambulante spezialfachärztliche Versorgung e.V. hinterlegt (www.qualidoc.org/asv/landesausschuesse/).

Welche Grundvoraussetzungen sind personell zu erfüllen? 

Welche konkreten Anforderungen für die einzelnen Krankheitsbilder erfüllt werden müssen, ist den jeweiligen Konkretisierungen durch den G-BA vorbehalten. Auf Basis des Paragraphenteils sowie des § 116b SGB V lassen sich jedoch schon jetzt einige Rückschlüsse ziehen, welche Grundvoraussetzungen allgemein für die Teilnahme an der ASV zu erfüllen sind. Bei allen Krankheitsbildern – also auch bei den rheumatologischen Erkrankungen – wird ein interdisziplinäres Team zu gründen sein, das auch durch vertragliche (ggf. sektorenübergreifende) Kooperationen etabliert werden kann und sich aus einem Teamleiter, dem Kernteam sowie bei medizinischer Notwendigkeit zeitnah hinzuzuziehenden Fachärzten zusammensetzt.

  • Der Teamleiter hat die Aufgabe, die ASV fachlich und organisatorisch zu koordinieren und gehört damit zwingend dem Kernteam an.
  • Die Mitglieder des Kernteams sind Fachärzte, deren Kenntnisse und Erfahrungen zur Behandlung im Rahmen der ASV in der Regel eingebunden werden müssen. Sie müssen die ASV-Leistungen am Tätigkeitsort des Teamleiters zumindest an einem Tag in der Woche erbringen. Ausgenommen sind „immobile“ Leistungen bzw. die Untersuchung von entnommenen Untersuchungsmaterialien. Diese Leistungen müssen in der Regel in 30 Minuten vom Teamleiterstandort erreichbar sein, soweit eine direkte Leistung am Patienten zu erbringen ist.
  • Hinzuzuziehende Fachärzte sind solche, deren Fähigkeiten und Kenntnisse in Abhängigkeit vom Krankheitsbild typischerweise bei einem Teil der Patienten benötigt werden. Auch hier gilt die 30-Minuten-Regel.

Die jeweils erforderlichen Qualifikationen für die einzelnen Teammitglieder werden in den weitestgehend noch ausstehenden Konkretisierungen festgelegt und richten sich nach der (Muster-)Weiterbildungsordnung. Der Paragraphenteil sieht insoweit Facharztstatus (nicht Facharztstandard) vor.

Eine Vertretung des jeweiligen ASV-Arztes ist ebenfalls nur durch einen Facharzt möglich, der über sämtliche erforderlichen Qualifikationen verfügt. Vertretungen sind im Übrigen gegenüber dem erweiterten Landesausschuss anzuzeigen, soweit sie länger als eine Woche andauern.

Assistenzärzte können entsprechend dem Stand ihrer Weiterbildung unter Verantwortung eines zur Weiterbildung befugten Mitglieds des interdisziplinären Teams in die ASV zur Durchführung ärztlicher Tätigkeiten einbezogen werden. In diesem Fall gilt der Facharztstandard. Diagnosestellung und leitende Therapieentscheidungen dürfen von Assistenzärzten nicht erbracht werden.

Der Berufsverband Deutscher Rheumatologen (BDRh) e.V. hat dem G-BA gemeinsam mit dem Verband Rheumatologischer Akutkliniken (VRA) e.V. einen Entwurf für die Ausgestaltung der ASV zugeleitet und damit berufspolitisch den Schulterschluss zwischen dem klinischen und niedergelassenen Bereich gezeigt. Nach den Vorschlägen des BDRh und des VRA wäre das Kernteam möglichst klein zu halten (Team aus Rheumatologe und Pneumo- bzw. Nephrologe). Ob sich diese Vorstellung durchsetzt, bleibt abzuwarten. Durchaus denkbar ist in Anlehnung an die alten Institutsambulanzen auch ein größeres Kernteam, dem zusätzlich noch Fachärzte für Neurologie, Kardiologie, Radiologie und Orthopädie angehören. Es ist in jedem Fall davon auszugehen, dass als Teamleiter – analog zu den Regelungen der bisherigen Institutsambulanzen nach § 116b alte Fassung – ein Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie vorgesehen wird.

Welche infrastrukturellen Maßnahmen sind zwingend? 

Soweit in den Konkretisierungen nicht noch weitergehende Anforderungen gestellt werden, müssen jedenfalls die Qualitätssicherungsvereinbarungen nach § 135 Abs. 2 SGB V eingehalten werden. Diesbezüglich zeigt sich bundesweit eine stark unterschiedliche Verwaltungspraxis. Während in einigen Regionen die Versicherung, die Qualitätssicherungsvorgaben einzuhalten, genügt, wird in anderen Regionen eine vollständige Qualitätssicherungsprüfung verlangt. Es ist nicht auszuschließen, dass ASV-feindlich eingestellte Mitglieder der jeweiligen erweiterten Landesausschüssen auf diesem Weg die ASV zu behindern suchen. Infrastrukturell müssen sodann in jedem Fall behindertengerechte, möglichst barrierefreie Räumlichkeiten vorgehalten werden.

Im Übrigen lässt sich schlussfolgern, dass die Leistungserbringung nicht zwingend in einem Krankenhaus erfolgen muss, sondern auch ein Vertragsarzt als Teamleiter in Betracht kommt und somit die Leistungen schwerpunktmäßig in der vertragsärztlichen Praxis erbracht werden. Die angeführte 30-Minuten-Regel wird dann jedoch zu beachten sein, soweit etwaig erforderliche Begleitleistungen wie z.B. Notfalllabor, Intensivstation etc. nachgewiesen werden müssen.

Welche Behandlungen können durchgeführt werden?  

Der Behandlungsumfang der ASV wird krankheits- und anlassbezogen durch die Konkretisierungen festgelegt (werden). Krankenhäuser, die an der ASV teilnehmen, dürfen darüber hinaus fachärztliche Leistungen erbringen und abrechnen, sofern diese im unmittelbaren Zusammenhang zur Katalogerkrankung stehen, die Leistung im Haus erfolgt und dem Patienten eine Überweisung zu einem niedergelassenen Vertragsarzt nicht zumutbar ist. Diese eingeschränkte „Öffnungsklausel“ bietet Krankenhäusern aufgrund der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe ein potenzielles Einfallstor für weitergehende Leistungen im Rahmen der ambulanten Versorgung.

Weiter können im Rahmen der ASV sämtliche Untersuchungs- und Behandlungsleistungen erbracht werden, soweit der G-BA keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Es gilt somit anders als im Bereich der sonstigen vertragsärztlichen ambulanten Versorgung der aus der stationären Versorgung bekannte sogenannte „Verbotsvorbehalt“. Dies dürfte gerade für niedergelassene Vertragsärzte ein Anreiz sein, sich im Rahmen der ASV zu engagieren.

Im Übrigen können in der ASV auch Arznei- und Heilmittelverordnungen ausgestellt werden, Rehabilitationen oder Krankenhausbehandlung oder häusliche Krankenpflege verordnet werden. Es ist allerdings – wie im § 116b SGB V a.F. auch – ein gesondertes Kennzeichnungsverfahren zu beachten. Geeigneten Patienten soll zudem auch die Teilnahme in nationalen sowie internationalen Studien ermöglicht werden.

Bedarf es für die ASV einer Überweisung durch einen Vertragsarzt? 

Bei seltenen Erkrankungen (z.B. Tuberkulose) und hochspezialisierten Leistungen (z.B. Brachytherapie) werden die Überweisungserfordernisse abschließend für die jeweiligen Krankheitsbilder in den Konkretisierungen festgelegt. Bei schweren Verlaufsformen von Erkrankungen mit besonderem Krankheitsverlauf (z.B. HIV/Aids, Multiple Sklerose) gibt bereits der Paragraphenteil vor, dass eine Überweisung durch einen Vertragsarzt zu erfolgen hat. Im Übrigen bedarf es keiner Überweisung. Die ASV-Richtlinie sieht indes als Ausnahme zu diesem Grundsatz vor, dass Überweisungen auch durch ASV-Ärzte sowie aus dem stationären Bereich eines ASV-Krankenhauses heraus erfolgen können.

Wie werden ASV-Leistungen vergütet? 

Die Leistungen der ASV werden unmittelbar und unbudgetiert von der Krankenkasse vergütet. Vertragsärztliche Leistungserbringer können die Kassenärztliche Vereinigung oder auch Drittunternehmen gegen Aufwendungsersatz mit der Abrechnung von Leistungen im Rahmen der ASV beauftragen.

Für die Vergütung der Leistungen vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeinsam und einheitlich die Kalkulationssystematik, diagnosebezogene Gebührenpositionen in Euro sowie deren jeweilige verbindliche Einführungszeitpunkte. Die Kalkulation erfolgt auf betriebswirtschaftlicher Grundlage ausgehend vom EBM unter ergänzender Berücksichtigung der nichtärztlichen Leistungen, der Sachkosten sowie der spezifischen Investitionsbedingungen. Bei den seltenen Erkrankungen und Erkrankungszuständen mit entsprechend geringen Fallzahlen sollen die Gebührenpositionen für Diagnostik und die Behandlung getrennt kalkuliert werden. Die Vertragspartner können einen Dritten mit der Kalkulation beauftragen. Die Gebührenpositionen sind in regelmäßigen Zeitabständen daraufhin zu überprüfen, ob sie noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungserbringung entsprechen. Derzeit erfolgt die Umsetzung dergestalt, dass ein eigenes Kapitel 50 im EBM aufgebaut wird. Soweit Leistungen im Rahmen der ASV erbracht werden können, die noch nicht im EBM enthalten sind, sind diese nach der GOÄ abrechnungsfähig zu folgenden Sätzen:

  • 1,0 für Abschnitt M
  • 1,2 für Abschnitte A, E und O
  • 1,5 für übrige Leistungen

Erfolgt eine Prüfung der ASV-Verordnung und -Abrechnung? 

Die Vergütungsanforderung im Rahmen der ASV wird durch die Krankenkassen selbst geprüft. Die Kassen können aber den MDK oder eine Arbeitsgemeinschaft mit dieser Prüfung beauftragen. Die Verordnungsleistungen, vor allem die Heil- und Arzneimittelverordnungen, werden durch die Prüfungsstellen nach § 106 SGB V gegen Kostenersatz im Auftrag der Krankenkassen geprüft. Es bleibt abzuwarten, wie die für eine Prüfung notwendigen Rahmendaten (z.B. Richtgrößen, Vergleichsgruppendaten etc.) ermittelt werden sollen. Die bisherigen Erfahrungen im Rahmen des § 116b SGB V a.F. lassen vermuten, dass auch im Rahmen der neuen ASV bis auf Weiteres keine umfassenden Prüfverfahren durchgeführt werden (können), sondern sich die Prüfung aller Voraussicht nach auf sogenannte „Einzelfallprüfungen“ beschränken wird.

Ist eine sektorenübergreifende Kooperation zwingend? 

Bei onkologischen Patienten besteht intersektoraler Kooperationszwang. Für die übrigen der ASV zugewiesenen Erkrankungen werden Kooperationserfordernisse mit dem jeweils anderen Versorgungssektor in den Anlagen gesondert ausgewiesen. Für die rheumatologischen Krankheitsbilder wird es aller Voraussicht nach denkbar sein, rein vertragsärztliche bzw. rein krankenhausärztliche ASV-Teams zu konzipieren. In der Beratungspraxis ist nach unserer Wahrnehmung ein Trend zu einer einvernehmlichen sektorenübergreifenden Konzeption zu erkennen, wobei die Initiative oftmals von den Kliniken ausgeht. Jeder Leistungserbringer kann sodann grundsätzlich jeweils mehreren ASV-Teams angehören.

Die Kooperationsvereinbarung („ASV-Vertrag“) ist im Rahmen des Anzeigeverfahrens vorzulegen. Inhalte einer Kooperationsvereinbarung können nach den Vorgaben des G-BA insbesondere sein:

  • Abstimmung über Eckpunkte der Versorgung
  • Abstimmung der Arbeitsteilung
  • Verpflichtung zu mindestens halbjährlichen Konferenzen zur Evaluation der Behandlungsergebnisse

Darüber hinaus ist anzuraten, ein Konfliktmanagement in der Kooperationsvereinbarung vorzusehen, da streitige Auseinandersetzungen mit Blick auf die – teils erzwungene – Zusammenarbeit nicht auszuschließen sind.

Mindestmengenvorgaben 

Der Gesetzgeber hat beibehalten, dass der G-BA für einzelne ASV-Leistungen Mindestmengen etablieren darf. In den bislang erfolgten Konkretisierungen der Krankheitsbilder Tuberkulose und gastrointestinale Tumore wurde von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht. Da Mindestmengen als Element der Qualitätssicherung jedoch u.a. von der Rechtsprechung zunehmend kritisch betrachtet werden, wäre es wünschenswert, wenn der G-BA bei den noch ausstehenden Konkretisierungen mehr auf hoch angesetzte personelle, infrastrukturelle und qualitätsgebundene Voraussetzungen setzen würde. Es zeichnet sich aber ab, dass in der Konkretisierung zu den rheumatologischen Erkrankungen dennoch eine Mindestmengenregelung enthalten sein wird. Die auch vom BDRh vorgeschlagene Größenordnung von 240 Fällen gesicherter entzündlicher Rheumaformen pro Quartal scheint dabei konsensfähig zu sein.

Wie funktioniert das Anmeldeverfahren? 

Wer an der ASV teilnehmen möchte, muss dies gegenüber dem erweiterten Landesausschuss unter Beifügung der notwendigen Belege anzeigen. Zwei Monate nach Eingang der Anzeige ist man zur Teilnahme an der ASV berechtigt, es sei denn, der erweiterte Landesausschuss teilt binnen dieser Frist mit, dass der Antragsteller die Voraussetzungen nicht erfüllt. Im Rahmen des Anmeldeverfahrens ist der erweiterte Landesausschuss berechtigt, erforderliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anzufordern; in diesem Fall wird die Zweimonatsfrist unterbrochen. Die jeweiligen erweiterten Landesausschüsse halten Anzeigeformulare zum Download vor.

Praxishinweis

Erste Erfahrungswerte aus den bereits konkretisierten und mit ASV-Teams besetzten Bereichen Tuberkulose und Gastrointestinaltumore haben gezeigt, dass das Anzeigeverfahren je nach Bundesland teilweise mit erheblichen bürokratischen Hürden verbunden und das Ausfüllen der sehr umfangreichen Anzeigeformulare fehleranfällig ist. Es ist daher ratsam, Unterstützung durch Verbände oder spezialisierte Rechtsanwälte in Anspruch zu nehmen, um die Anzeige gegenüber dem zuständigen erweiterten Landesausschuss effektiv durchzusetzen.