Bereitschaftsdienst: Für jeden Vertragsarzt Pflicht

von Rechtsanwältin Isabel Wildfeuer, ETL Lüdemann Wildfeuer & Partner, München (www.etl-global.com/muenchen-lw)

Die KVen dürfen alle Vertragsärzte zum Bereitschaftsdienst einteilen. Diese „harte Linie“ hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 19. August 2015 bestärkt (Az. B 6 KA 41/14 R).

Arzt hatte über 20 Jahre keinen Bereitschaftsdienst geleistet 

In dem zu entscheidenden Fall hatte ein ausschließlich psychotherapeutisch tätiger Vertragsarzt gegen die Heranziehung zum Bereitschaftsdienst geklagt. Seit seiner Zulassung im Jahr 1993 war er stets von der Teilnahme befreit worden. Infolge der Novellierung der Bereitschaftsdienstordnung im Jahr 2007 gab es diesen Befreiungstatbestand für hochspezialisierte Fachärzte nicht mehr. Vielmehr wurde er mit einer Übergangsfrist von einem guten Jahr zum Bereitschaftsdienst eingeteilt. In dieser Zeit wurde ihm die Möglichkeit gegeben, sich entsprechend fortzubilden.

Ein Jahr Zeit, um medizinische Kenntnisse aufzufrischen 

Das BSG räumt in seiner Entscheidung zunächst ein, dass ein Vertragsarzt solange nicht am Bereitschaftsdienst teilnehmen darf/muss, bis er die fachlichen Voraussetzungen erfüllt, die durch entsprechende Fortbildungen (wieder) zu erlangen sind. Jedoch sei die KV berechtigt, jeden Vertragsarzt zur Teilnahme an diesen notwendigen Fortbildungsveranstaltungen zu verpflichten und dies auch gegebenenfalls mit disziplinarischen Mitteln (bis hin zum Zulassungsentzug) durchzusetzen. Das BSG vertritt richtigerweise zum Schutz der Patienten die Auffassung, dass ein nicht ausreichend fortgebildeter Arzt nicht für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung herangezogen werden darf. Er darf sich aber dadurch nicht seiner generellen Verpflichtung zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst entziehen. Für die Wiedererlangung der „Bereitschaftsdienstkompetenz“ gewährte das Gericht dem klagenden Arzt einen Zeitraum von einem Jahr. Das BSG erachtet diesen Zeitraum als absolut ausreichend, um „in Vergessenheit geratene“ medizinische Kenntnisse wieder aufzufrischen. Des Weiteren erkennt das BSG die bisher von vielen Ärzten genutzte Möglichkeit an, sich im Bereitschaftsdienst von einem selbst zu finanzierenden Vertreter (ständig) vertreten zu lassen. Allerdings ändert dies wohl nichts an der Verpflichtung, sich für die Teilnahme am Bereitschaftsdienst entsprechend fortzubilden – der beauftragte Vertreter könnte auch einmal nicht dienstbereit sein.

Praxishinweis

Das Urteil dürfte in der Praxis dazu führen, dass zeitnah zahlreiche Vertragsärzte, die bisher behauptet haben sie seien nicht „geeignet“, dahingehend überprüft werden, ob sie ihrer Fortbildungspflicht nachgekommen sind. Im Fokus stehen dabei sicherlich diejenigen, die aufgrund eines Befreiungsantrags schon im „Visier“ der jeweils zuständigen KV sind. Ärzten, die einen Befreiungsantrag wegen mangelnder Kompetenz bei der KV eingereicht haben, ist anzuraten, sich schon jetzt juristisch beraten zu lassen.