Erstmals Empfehlungen zur körperlichen Aktivität bei Patienten mit Arthritis und Arthrose

Regelmäßige körperliche Aktivität hat im Therapiekonzept bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen (Rheumatoide Arthritis, Spondyloarthritis) und Arthrose einen hohen Stellenwert. Um dies deutlich zu machen, hat die European League Against Rheumatism (EULAR) Empfehlungen erarbeitet, die die Umsetzung von körperlichem Training in der Praxis erleichtern sollen. Die neuen Empfehlungen wurden erstmals beim Jahreskongress der EULAR 2018 in Amsterdam vorgestellt und kürzlich veröffentlicht (1).

„Körperliche Übungen sollten nicht nur als gesundheitsfördernde Ergänzung, sondern als Standardintervention bei entzündlichen Arthritiden und Arthrose angesehen werden“, sagte Prof. Dr. Karin Niedermann vom Institut für Physiotherapie der Universität Zürich in Winterthur. Körperliches Training sei i. d. R. auch für Rheuma-Patienten geeignet, effektiv und sicher. Bei Arthrose könne dieses stärkere Effekte als die Anwendung von Schmerzmittel haben.

Niedermann gehört der Taskforce von Rheumatologen und Ärzten anderer Fachdisziplinen an, die die neuen Empfehlungen auf Basis eines Literatur-Reviews erarbeitet hat. Hier wurde nachgewiesen, dass körperliches Training bei Rheuma-Patienten vor allem die kardiovaskuläre Fitness und die Muskelkraft verbessert. Die Effekte wurden als moderat eingestuft, berichtete Anne-Kathrin Rausch, Doktorandin an der Universität Zürich und ebenfalls Mitglied der Taskforce. Keine deutlichen Effekte wurden allerdings bei der Flexibilität bzw. der neuromotorischen Performance beobachtet. Hinweise gab es auch auf eine Verringerung der Krankheitsaktivität durch körperliches Training, berichtete Rausch. Negative Wirkungen wurden nicht beobachtet.

Die Experten haben anhand der Daten 4 übergeordnete Grundsätze und 10 praktische Empfehlungen für Rheuma-Patienten in der Praxis aufgestellt. Die wichtigsten Punkte:

  • Die Empfehlung körperlicher Aktivität sollte integraler Bestandteil der Behandlung von Rheuma-Patienten sein.
  • Bei der Umsetzung des Trainings sollten die Fähigkeiten und Präferenzen der Patienten und krankheitsspezifische Kontraindikationen berücksichtigt werden.
  • Individuell sollten Art, Häufigkeit, Intensität und Dauer des Trainings festgelegt werden.
  • Es sollten Ziele bzw. Zielwerte der Intervention festgelegt werden, die während des Trainings auch regelmäßig überprüft werden sollten.

Mithilfe länderspezifischer Implementierungsstrategien sollen die Empfehlungen künftig umgesetzt werden, berichtete Niedermann. Helfen sollen dabei Laienversionen der Empfehlungen.

Unklar ist, ob die Empfehlungen in gleicher Weise auch für Rheuma-Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko gelten sollten. Eine Pilotstudie läuft, in der dies evaluiert wird, berichtete der Rheumatologe Dr. Michael Nurmohamed aus Amsterdam. Intensive Belastungen werden für diese Patientengruppe nicht empfohlen (2).

Bereits 3 Stunden zügiges Gehen pro Woche sind wirksam

Körperliches Training hat vielfältige positive Wirkungen auf unterschiedliche Organsysteme dokumentiert, erinnerte Dr. Maura Daly Iversen aus Stockholm beim EULAR-Kongress. Belegt sind günstige Wirkungen u. a. auf

  • muskuloskelettales System,
  • Nervensystem (u. a. Stressreduktion, bessere kognitive Funktion),
  • Herz-Kreislauf- und Lungensystem (Anstieg VO2max, Verbesserung Lipidprofil und Endothelfunktion),
  • endokrines System (Zunahme Insulinsensitivität, Abnahme der Insulinspiegel in Ruhe),
  • Immunsystem (Verringerung von Entzündungsmarkern und oberen Atemwegsinfektionen) sowie
  • Gesamt- und kardiovaskuläre Mortalität mit einer Abnahme um bis zu 50 %.

Die Effekte sind dosisabhängig sagte Iversen. Der größte Nutzen wurde bei einer recht hohen Trainingsintensität von rund 3.500 MET*-Minuten pro Woche dokumentiert, günstige Effekte aber bereits bei zusätzlicher körperlicher Aktivität von rund 1.000 MET-Minuten pro Woche. Dies entspricht etwa 3 Stunden zügigem Gehen.

*MET= metabolisches Äquivalent. Ein MET bezeichnet die während des Sitzens in Ruhe verbrauchte Energie. Schnelles Gehen entspricht rund 6 METs.

 

Quellen

  • 1) Niedermann K et al., 2018 EULAR recommendations for physical activity in people with inflammatory arthritis and osteoarthritis. Ann Rheum Dis 2018, epub July 11, doi:10.1136/annrheumdis-2018-213585
  • 2) Agca R et al.: EULAR recommendations for cardiovascular disease risk management in patients with rheumatoid arthritis and other forms of inflammatory joint disorders: 2015/2016 update. Ann Rheum Dis 2017; 7 6:17-28