Europäische Konsensus-Empfehlungen für SSc-Patienten mit assoziierter interstitioneller Lungenerkrankung

Ein europäisches Panel von 27 Wissenschaftlern – Rheumatologen, Pneumologen und Internisten – hat auf der Basis eines Literaturreviews ein Konsensuspapier zur Früherkennung und zum Management einer interstitionellen Lungenerkrankung (ILD) bei Patienten mit systemischer Sklerodermie (SSc) veröffentlicht. Die Empfehlungen des Experten-Panels sind in sechs Domänen unterteilt: Risikofaktoren, Screening, Diagnose und Schweregradbeurteilung, Therapiebeginn und Therapieoptionen, Krankheitsprogression sowie Therapieeskalation. Als Konsensus wurde erachtet, wenn bei der Bewertung einer Fragestellung mindestens 80 Prozent der Panel-Mitglieder übereinstimmten.

Etwa die Hälfte aller SSc-Patienten von ILD betroffen

Eine SSc – betroffen sind überwiegend Frauen zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr – zeigt individuell einen heterogenen Verlauf. Sehr hoch ist das Risiko einer ILD im Krankheitsverlauf. Etwa die Hälfte aller SSc-Patienten zeigen beim erstmaligen hochauflösenden Lungen-CT Zeichen einer ILD.

Risikofaktoren für eine Lungenbeteiligung

Zu den Risikofaktoren für eine Lungenbeteiligung zählen nach Angaben des europäischen Experten-Panels

  • Atemwegsbeschwerden und positive Raucheranamnese,
  • das Vorliegen einer diffusen kutanen SSc oder einer SSc ohne sklerodermieartige Hautveränderung,
  • männliches Geschlecht, afroamerikanische Abstammung und
  • Scl70-Antikörper.

Liegt eine pulmonale Hypertonie vor, erhöht dies nach Einschätzung des Panels ebenfalls das ILD-Risiko. Auch ein Raynaud-Phänomen kann auf das Vorliegen der Lungenerkrankung hinweisen. In der akademischen Literatur wird über eine Reihe weiterer spezifischer Laborparameter berichtet, meist Zytokin-Parameter, die mit einem erhöhten ILD-Risiko korrelieren, in der Praxis aber nur von untergeordneter Bedeutung sind.

Merke

Das Vorliegen von Anti-Centromer-Antikörpern wurde hingegen mit einem verringerten Risiko für das Auftreten einer ILD assoziiert.

 

Screening und Diagnose

Das primäre Tool zur Diagnose einer ILD bei SSc-Patienten ist nach übereinstimmender Meinung des Experten-Panels das hochauflösende CT (HRCT). Alle Patienten, bei denen eine SSc diagnostiziert worden ist, sollten mit einem HRCT auf eine ILD gescreent werden, ergänzt durch Lungenfunktionstests (forcierte Vitalkapazität, Diffusionskapazität) und eine körperliche Untersuchung inklusive Auskultation. Das Screening sollte nach individueller Einschätzung des behandelnden Arztes regelmäßig wiederholt werden. Anomalien bei einer Röntgenthoraxuntersuchung oder bei Lungenfunktionstests sollten zum Einsatz eines HRCT führen. Wurde eine ILD diagnostiziert, sollte der Schweregrad unter Berücksichtigung aller Befunde – Fibrose-Score, Lungenfunktion, Atemwegssymptome, Sauerstoffsättigung des Blutes unter Belastung, Lebensqualität – beurteilt werden.

Therapie

Die Entscheidung für den Beginn einer medikamentösen Therapie sollte vom Stadium der ILD und der Krankheitsprogression abhängig gemacht werden. Für einige Patienten mit früher, stabiler oder milder SSc-ILD sei der Verzicht auf eine spezifische Therapie eine Option, heißt es in den Konsensusempfehlungen. Diese Patienten sollten engmaschig beobachtet (alle drei bis sechs Monate) und im Falle einer Krankheitsprogression behandelt werden. Patienten mit schwerer ILD sollte hingegen sofort eine Behandlung angeboten werden. Belegt ist die Wirksamkeit der Immunsuppressiva Cyclophosphamid und Mycophenolatmofetil (MMF) bei Patienten mit SSc-ILD, eine gute Alternative ist der im vergangenen Jahr zugelassene Tyrosinkinase-Inhibitor Nintedanib. Auch Kombinationstherapien dieser Substanzen können eingesetzt werden, wenn eine Monotherapie nicht ausreichend wirksam ist.

Merke

Eine Monotherapie mit Glukokortikoiden sei keine Option, betont das Panel.

 

Bei Beurteilung des Therapieerfolgs zählen Verringerung von Symptomen, Verbesserung der Lebensqualität der Patienten und Krankheitsstabilisierung zu den wichtigsten Parametern. Bei ausgewählten Patienten mit schwerer ILD oder rascher Progression kommen eine autologe hämatopoetische Stammzelltherapie, eine Therapie mit Rituximab oder eine Lungentransplantation infrage.

Quelle

  • Hoffmann-Vold AM et al.: The identification and management of interstitial lung disease in systemic sclerosis: evidence-based European consensus statements. Lancet Rheumatol 2020; 2: e71–83