Kardiovaskuläres Risikomanagement bei rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen – neue Empfehlungen

Nicht nur Patient*innen mit entzündlichen, sondern auch mit anderen rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen wie Gicht, Vaskulitis oder Myositis haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Die European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR) hat kürzlich neue Empfehlungen für ein optimiertes Management des kardiovaskulären Risikos bei diesen Patient*innengruppen veröffentlicht.

Übergeordnete und spezifische Empfehlungen

Eine EULAR-Taskforce formulierte 4 über-geordnete und 19 spezifische Empfehlungen. Die übergeordneten Empfehlungen:

  • Die Betroffenen sollten regelmäßig auf kardiovaskuläre Risikofaktoren untersucht werden (beginnend innerhalb von 6 Monaten nach Diagnose der Grunderkrankung).
  • Modifizierbare kardiovaskuläre Risikofaktoren sollten möglichst optimal kontrolliert und die Patient*innen über ihre Risiken, sinnvolle Maßnahmen zur Lebensstiländerung und die Notwendigkeit einer guten Therapieadhärenz aufgeklärt werden.
  • Rheumatolog*innen haben in Zusammenarbeit mit Hausärzt*innnen, Internist*innen oder Kardiolog*innen die verantwortliche Rolle bei Beurteilung und Management des kardiovaskulären Risikos.
  • Durch eine Reduktion der Krankheitsaktivität kann vermutlich auch das kardiovaskuläre Risiko verringert werden.

Die spezifischen Empfehlungen betreffen die Beurteilung des kardiovaskulären Risikos sowie das Management traditioneller kardiovaskulärer Risikofaktoren und krankheitsspezifischer Faktoren mit möglichem Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko. 11 der spezifischen Empfehlungen beziehen sich auf das Management bei Gicht, Vaskulitis, systemischer Sklerose (SSc), gemischten Bindegewebserkrankungen (MCTD), Sjögren-Syndrom (SS) und Myositis. Weitere 8 Empfehlungen betreffen das Management bei systemischem Lupus erythematodes (SLE) und/oder Antiphospholipid-Syndrom (APS).

Empfehlungen bei Gicht, Vaskulitis, SSc, Myositis, MCTD und SS

  • Zur Beurteilung des kardiovaskulären Risikos werden die gleichen Vorhersage-Tools wie in der Allgemeinbevölkerung empfohlen. Bei Anti-neutrophil cytoplasmatic antibody (ANCA)-assoziierter Vaskulitis ist dabei laut der Expertengruppe zu beachten: Mit dem Framingham-Score könne das kardiovaskuläre Risiko unterschätzt werden.
  • Das Blutdruck- und Lipidmanagement sollte nach den für die Allgemeinbevölkerung üblichen Empfehlungen ausgerichtet werden.
  • Der standardmäßige Einsatz von Thrombozyten-Inhibitoren zur Primärprävention wird nicht empfohlen; auch hier sollten sich die behandelnden Ärzt*innen nach den Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung richten.
  • Bei Patient*innen mit Gicht sollte der Einsatz von Diuretika und bei Patient*innen mit SSc der Einsatz von Betablockern vermieden werden.
  • Für die Senkung der Harnsäure bei Patient*innen mit Gicht gibt es aus kardiovaskulärer Sicht keine Bevorzugung einzelner Präparate. Als Therapieziel wird ein Harnsäurespiegel < 6 mg/dl (< 0,36 mmol/l) empfohlen, um potenziell das kardiovaskuläre Risiko und die kardiovaskuläre Mortalität zu verringern.
  • Bei Patient*innen mit ANCA-assoziierter Vaskulitis kann durch Erreichen und Aufrechterhalten einer Remission das kardiovaskuläre Risiko verringert werden.
  • Bei Patient*innen mit Riesenzellarteritiis wird ein optimierter Einsatz von Glukokortikoiden empfohlen, um das Risiko eines Relaps und unerwünschten Glukokortikoid-Wirkungen auszubalancieren. Das kardiovaskuläre Risiko korreliert mit den Tages- und kumulativen Kortikoiddosierungen.

Empfehlungen bei SLE und/oder APS

  • Bei SLE-Patient*innen wird zur Senkung des kardiovaskulären Risikos ein Blutdruckwert < 130/80 mmHg empfohlen. Zur Therapie der Grunderkrankung kann ein bevorzugter Einsatz von Hydroxychloroquin erwogen werden. Für APS-Patient*innen gelten bei den blutdruck- und lipidsenkenden Therapien (wie auch bei SLE) die gleichen Empfehlungen wie für die Allgemeinbevölkerung.
  • Bei Patient*innen mit Lupusnephritis und einem Protein-/Kreatinin-Verhältnis > 500 mg/g oder arterieller Hypertonie wird der Einsatz von Angiotensin-converting-enzyme (ACE)- oder Angiotensin-Rezeptor-Hemmern empfohlen.
  • Patient*innen mit SLE können Kandidat*innen für eine präventive niedrigdosierte Therapie mit Acetylsalicylsäure (ASS) sein, abhängig u. a. von der Höhe und dem Risikoprofil von Antiphospholipid-Antikörpern. Um das kardiovaskuläre Risiko weiter zu reduzieren, sollte eine niedrige Krankheitsaktivität aufrechterhalten werden. Glukokortikoide sollten in der niedrigstmöglichen Dosierung eingesetzt werden.

Quelle

  • Drosos GC, Vedder D, Houben E et al.: EULAR recommendations for cardiovascular risk management in rheumatic and musculoskeletal diseases, including systemic lupus erythematosus and antiphospholipid syndrome. Annals of the Rheumatic Diseases 2022; 81: 768–779; iww.de/s6990