Maßregelungskündigung ist unwirksam

von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-­Eickmann, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Mit Urteil vom 28. November 2012 hat das Arbeitsgericht (ArbG) Bonn die Kündigung einer Arzthelferin für unwirksam erklärt, weil eine unzulässige Maßregelung im Sinne des § 612a BGB zugrunde lag (Az: 5 Ca 1834/12 EU).

Der Fall

Die Arzthelferin war bereits seit 1978 bei Dr. I angestellt. Anfang 2012 übernahm Dr. H die Praxis. Bis dahin war die Helferin mit 11 Wochenarbeitsstunden bei einem Entgelt von etwa 890 Euro beschäftigt. Im Juni 2012 teilte Dr.H ihr mit, die Wochenarbeitszeit bei gleichbleibender Vergütung auf 16 Stunden zu erhöhen. Nach urlaubsbedingter Praxisschließung teilte die Arzthelferin mit, sie sei mit der Änderung grundsätzlich einverstanden, es seien aber die Fristen für eine Änderungskündigung einzuhalten, wonach die Änderung erst zum Februar 2013 greifen könne. Sie sei jedoch bereit, eine Umsetzung bereits zum November 2012 mitzutragen. Am 24. Juli 2012 kündigte Dr. H das Arbeitsverhältnis zum nächstmöglichen Termin.

Die Entscheidung

Nach Ansicht des ArbG Bonn stellt die Kündigung eine unzulässige Maßregelung im Sinne des §612a BGB dar. Danach darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht ­benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Kündigung ist dabei aber nur dann unwirksam, wenn die Rechtsausübung für die Kündigung das wesentliche Motiv gewesen ist. Hier hat die Arzthelferin einen Sachverhalt vorgetragen, der einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Kündigung und einer vorangegangenen zulässigen Rechtsausübung indiziert: Die Kündigung erfolgte zeitlich kurz nach dem Schreiben der Arzthelferin, mit dem sie in zulässiger Weise von ihren Rechten Gebrauch machte. Es oblag nunmehr Dr.H, gegebenenfalls andere Gründe für die Kündigung anzuführen. Dieses habe er aber nicht getan.

Praxishinweis: Das Urteil sollten Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer ernst nehmen. Ein verständiger Arbeitgeber wird sachgerecht und überlegt reagieren, wenn ein Arbeitnehmer seine zulässigen Rechte im Arbeitsverhältnis höflich, aber bestimmt verfolgt. Eine Sanktion – erfasst sind insoweit nicht nur Kündigungen, sondern zum Beispiel auch Diensteinteilungen, Urlaubs- und/oder Fortbildungsgewährung, Nebentätigkeitserlaubnis etc. – wird einer rechtlichen Prüfung jedenfalls dann nicht standhalten, wenn der Zusammenhang zwischen der zulässigen Rechtswahrnehmung und der sanktionierenden Reaktion offensichtlich ist.