Tipps zur Telemedizin bei rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen

Die Telemedizin wird in den kommenden Jahren weite Bereiche der Gesundheitsversorgung verändern. Welche Möglichkeiten bietet die Telemedizin bei der Betreuung von Patienten mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen und welche Voraussetzungen sind dabei zu beachten? Eine Taskforce der European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR) hat in einem Konsensuspapier die wichtigsten Punkte erarbeitet.

Patientenbedürfnisse berücksichtigen

Die Zahl der Patienten mit rheumatologischen und muskuloskelettalen Erkrankungen (RMD) wird laut der EULAR weltweit weiter steigen. Zur optimalen Versorgung der Patienten werden künftig vermutlich auch digitale Technologien zur ersten Beurteilung, zum Monitoring und evtl. auch zur Therapie verstärkt genutzt werden. Entscheidend sei die richtige Einbindung telemedizinischer Angebote in die tägliche klinische Routine, so die Taskforce. Oberstes Gebot: Die Telemedizin, kombiniert mit persönlichen Arztkontakten, sollte auf die Bedürfnisse und Präferenzen der Patienten zugeschnitten sein und auf gemeinsamer Entscheidungsfindung von Ärzten und Patienten basieren. In die verschiedenen telemedizinischen Angebote könne das gesamte Team der Leistungserbringer eingebunden werden. Voraussetzung dafür ist, dass die einzelnen Akteure entsprechend geschult sind und über telekommunikative Fähigkeiten und eine adäquate technische Ausrüstung verfügen.

Handlungsempfehlungen

Die multidisziplinäre 30-köpfige Expertengruppe aus 14 europäischen Ländern hat 4 übergeordnete Prinzipien und 9 Handlungsempfehlungen („Points to consider“, PtC) formuliert, die bei der Umsetzung telemedizinischer Angebote im Bereich der Rheumatologie helfen sollen. Im Folgenden sind die wichtigsten PtC für die Umsetzung telemedizinischer Angebote auf Basis eines systematischen Literatur-Reviews gelistet:

  • Der Einsatz der Telemedizin kann zur Erstbeurteilung von Patienten erwogen werden, um den Überweisungsprozess zu Rheumatologen zu beschleunigen und Patienten mit Verdacht auf eine RMD zu priorisieren.
  • Telemedizin kann den Weg zur Diagnose einer RMD unterstützen. Die Diagnose sollte allerdings möglichst im Rahmen persönlicher Visiten gestellt werden.
  • Die Entscheidung über den Einsatz krankheitsmodifizierender Antirheumatika (DMARDs) sollte ebenfalls in persönlichen Gesprächen erfolgen. Telemedizinische Kontakte können allerdings zur Aufklärung über die medikamentöse Therapie, zur Steigerung der Adhärenz und zum Monitoring der Therapie genutzt werden.
  • Dosisanpassungen oder zeitweiliges Absetzen oder Ausschleichen der Medikamente sowie ein zusätzlicher Einsatz von Analgetika, nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) oder Glukokortikoiden kann ebenfalls im Rahmen telemedizinischer Kontakte mit den Patienten diskutiert werden.
  • Telemedizin kann zum Monitoring von Symptomen, Krankheitsaktivität und anderen Krankheitsfaktoren genutzt werden.
  • Telemedizin kann zur besseren Umsetzung nicht-medikamentöser Maßnahmen genutzt werden wie z. B. die Aufklärung im Umgang mit der Erkrankung, die Anleitung zu regelmäßiger körperlicher Aktivität, zu Selbstmanagement-Strategien und evtl. die Beratung zu psychologischer Therapie.
  • Anhand telemedizinischer Kontakte kann auch über die Notwendigkeit persönlicher Konsultationen oder anderer Interventionen entschieden werden.

Grundsätzlich sollten Patienten, bei denen eine telemedizinische Versorgung geplant ist, geschult werden. Barrieren bei der Nutzung digitaler Technik sollten wahrgenommen und die Probleme möglichst gelöst werden.

Mögliche Hürden für Telemedizin

Welche Hürden sind bei der Umsetzung der Telemedizin zu erwarten?

Auf Patientenseite sind dies nach Einschätzung der Taskforce in erste Linie Vorbehalte gegenüber digitalen Gesundheitsangeboten, die es ggf. zu überwinden gilt. Die Fähigkeiten der Patienten zur Nutzung digitaler Technik und die technischen Voraussetzungen zuhause sollten vor Beginn telemedizinischer Beratungen überprüft werden. Bei den Leistungserbringern nennt die Taskforce mangelndes Training als mögliche Hürde. Es sei notwendig, durch ausreichendes Training für solide Kompetenzen der Mitarbeiter zu sorgen. Als klinische Faktoren, die die Telemedizin erschweren können, werden hohe Krankheitslast sowie weitere, evtl. auch psychische Begleiterkrankungen der Patienten genannt sowie die Unmöglichkeit, alle notwendigen Untersuchungen online durchzuführen. Vorab sollte geprüft werden, wie sinnvoll und sicher der Einsatz der Telemedizin im Einzelfall ist. Schließlich gibt es auch organisatorische Hürden zu bedenken, wie die Gewährleistung der Sicherheit der Daten oder fehlende Abrechnungsmöglichkeiten.

Quelle

  • de Thurah A, Bosch P, Marques A, et al.: 2022 EULAR points to consider for remote care in rheumatic and musculoskeletal diseases. Ann Rheum Dis 2022; 81: 1065–1071; Volltext online unter iww.de/s7901.