„unmet need“ bei RA-Patienten unterschätzt?

Das „Treat-to-Target“-Konzept ist im RA-Management seit Langem etabliert: Idealerweise sollte die Erkrankung möglichst frühzeitig diagnostiziert und durch Einsatz von DMARDs innerhalb von drei bis sechs Monaten kontrolliert werden (Remission oder zumindest niedrige Krankheitsaktivität). In der Praxis wird dieses Ziel aber häufig nicht erreicht, verdeutlichen Real-World-Daten aus dem DMARD-Register in Norwegen (1). Ein Drittel bis zu 47 Prozent der Behandelten sprachen auf konventionelle und/oder biologische DMARDs im Verlauf von zwölf Monaten nicht ausreichend an. Häufig wurde die Therapie trotzdem nicht angepasst.

Studiendesign

Ausgewertet wurden 2.778 Behandlungszyklen bei RA-Patienten in Norwegen im Zeitraum Januar 2007 bis Juli 2016. 714 Patienten erhielten eine Monotherapie mit Methotrexat (MTX), die übrigen Biologika, meistens in Kombination mit MTX oder anderen konventionellen DMARDs. Wie Dr. Inge Christoffer Olsen aus Oslo und ihre Kollegen berichten, waren Krankheitsverläufe mit ungenügendem Ansprechen in allen Patientengruppen gleichermaßen häufig, d. h. weitgehend unabhängig von der eingesetzten Substanzklasse.

Ansprechraten

Von Patienten mit einer neu begonnenen MTX-Monotherapie hatten 42 Prozent nach sechs Monaten und 31 Prozent nach zwölf Monaten nicht ausreichend angesprochen, der DAS28-4(ESR) lag > 3,2. Auch von Patienten mit einer Biologikatherapie waren nach 12 Monaten nur rund ein Drittel bis 45 Prozent in Remission (DAS28-4(ESR) < 2,6). 39 bis 47 Prozent der Behandelten waren auf ihrer aktuellen Medikation geblieben, obwohl sie ungenügend angesprochen hatten. Die Ansprechraten auf unterschiedliche Biologika variierten nur gering. Am besten waren die Therapieergebnisse bei Patienten, die kombiniert mit Biologika und MTX behandelt wurden.

Warum Therapien trotz ungenügender Wirksamkeit häufig nicht geändert wurden, ist in der Registerstudie nicht untersucht worden. Als mögliche Gründe, für die es auch aus anderen Untersuchungen Hinweise gebe, nennen die Autoren irreversible Gelenkschäden, Patientenpräferenzen (zufrieden mit der aktuellen Krankheitsaktivität, lieber orale als parenterale Therapie, Angst vor Toxizität) und Untertherapie seitens des Rheumatologen.

Abbruchraten

Insgesamt brachen von den Registerpatienten mit einer MTX-Monotherapie 38 Prozent die Behandlung im Verlauf von 24 Monaten und 63 Prozent im Verlauf von 60 Monaten ab. Bei Patienten, die mit Biologika behandelt wurden, lagen die Abbruchraten bei 42 bis 53 Prozent (24 Monate) bzw. 53 bis 63 Prozent (60 Monate).

Merke

Der häufigste Grund war nach Angaben der Autoren mangelhafte Effektivität der Therapie.

 

Bis zu zehn Prozent der RA-Patienten sind schwierig zu behandeln

Unterschätzt wird möglicherweise der Anteil von Patienten mit schwierig zu behandelnder RA. „Es gibt immer noch viele RA-Patienten, die trotz Behandlung mit synthetischen und Einsatz von mindestens zwei biologischen DMARDs Zeichen und Symptome haben, die auf eine entzündliche Krankheitsaktivität hinweisen“, schreiben Dr. Maria de Hair und ihre Kollegen von der rheumatologischen Universitätsklinik in Utrecht in den Niederlanden (2). Nach den Erfahrungen in der eigenen Rheumaambulanz zählten rund drei bis zehn Prozent der RA-Patienten zu dieser Gruppe. Das Feld der „schwierig zu behandelnden RA“ werde auch in der wissenschaftlichen Literatur vernachlässigt, so die niederländischen Rheumatologen. Zu Unrecht: Denn die Patienten verursachten hohe Kosten und belasteten die Klinikbudgets. Die Chance, dass Patienten nach ungenügendem Ansprechen auf mehrere DMARDs noch eine Remission erreichten, seien gering.

Selten sei Medikamentenresistenz der alleinige Grund für ausbleibenden Therapieerfolg. Meistens lägen mehrere Gründe vor, die individuell variieren könnten. Als begünstigende Faktoren für mangelnde Effektivität von DMARDs nennen de Hair und Kollegen u. a. Rauchen, das mit dem Nachweis von Rheumafaktor und ACPA (Autoantikörpern gegen citrullinierte Antigene) assoziiert worden ist. Zudem kann Rauchen die Produktion proinflammatorischer Zytokine und zirkulierender T-Zellen fördern und dadurch die systemische Entzündungsreaktion unterstützen. Rauchende RA-Patienten brauchen i. d. R. höhere DMARD-Dosierungen als nicht rauchende Patienten. Ein Rauchstopp hatte allerdings in Studien bei RA-Patienten bisher nur geringen Einfluss auf Ansprechraten und Krankheitsverlauf. Auch übergewichtige RA-Patienten sprechen häufig schlechter auf die Therapie an als Normalgewichtige. Laut einer Meta-Analyse ist die Wahrscheinlichkeit einer Remission um 43 Prozent und einer anhaltenden Remission um 51 Prozent verringert.

Bekanntlich können bei einer Biologika-Therapie gegen die Medikamente gerichtete Antikörper (ADAs) das längerfristige Ansprechen beeinträchtigen. Belegt ist dies v. a. bei TNFα-Blockern. Allerdings werden ADAs in der klinischen Routine bisher nicht gemessen. Erwogen werden sollte bei nachlassender Wirksamkeit von Biologika die Umstellung z. B. auf small molecules wie Tofacitinib, bei denen ADAs keine Rolle spielten, so die Rheumatologen weiter.

Zu hinterfragen seien bei nicht ausreichender Wirksamkeit verschiedener RA-Medikamente auch immer die Therapieadhärenz und – bei Biologika-Einsatz – die Lagerung der Medikamente. Große Hoffnungen ruhen darauf, über Biomarker das Ansprechen auf bestimmte Medikamente voraussagen zu können. Bei RA-Patienten liegt dies aber noch in weiter Ferne. Auch genetische Polymorphismen, die mit dem Ansprechen korrelieren, wurden bisher noch nicht gefunden.

Quellen

  • (1) Olsen IC, et al.: Assessments of the unmet need in the management of patients with rheumatoid arthritis: analyses from the NOR-DMARD registry. Rheumatology 2018, epub November 30; doi: 10.1093/rheumatology/key338
  • (2) de Hair MJH, et al.: Difficult-to-treat rheumatoid arthritis: an area of unmet clinical need. Rheumatology 2018; 57(7): 1135-1144