Weckruf zu mehr Aktionen gegen Rückenschmerzen

Im Umgang mit Rückenschmerzen werden von Patienten und Ärzten nach wie vor viele Fehler gemacht. Bei Patienten mit unspezifischen Kreuzschmerzen, die den weitaus größten Anteil ausmachen, gibt es eine Tendenz zur Überdiagnostik und Übertherapie. Dagegen werden spezifische Ursachen von Rückenschmerzen wie ein Morbus Bechterew häufig erst mit großer Verzögerung nachgewiesen. In einer Artikelserie in der Fachzeitschrift „Lancet“ (1-3) geben Experten einen Überblick über die Epidemiologie von Rückenschmerzen weltweit und die Möglichkeiten von Prophylaxe und Therapie. Gefordert werden auch mehr Anstrengungen, das globale Problem in den Griff zu kriegen, durch intensivere Aufklärung der Bevölkerung und bessere Umsetzung der Therapieempfehlungen.

Die Punktprävalenz von Rückenschmerzen lag 2015 global bei über 7 Prozent. Das bedeutet: Weltweit sind an einem Stichtag 540 Mio. Menschen von Rückenschmerzen betroffen (1). Bei fast allen Patienten können keine spezifischen Ursachen der Beschwerden nachgewiesen werden und es findet häufig eine teure bildgebende Überdiagnostik statt. Dazu trägt auch bei, dass viele Patienten mit akuten Rückenschmerzen anstelle zum Hausarzt gleich in die Notaufnahme gehen, kritisieren Prof. Dr. Nadine Foster aus Staffordshire, Großbritannien, und ihre Kollegen (2).

Auch die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e. V. (DGRh) rät in einer Pressemitteilung (Nr. 2, März 2018) anlässlich der Lancet-Publikationen bei nichtspezifischem Kreuzschmerz unter 6 Wochen und ohne Warnzeichen von bildgebender Diagnostik ab. Umso mehr bedürfen entzündlich rheumatische Krankheiten, die mit Rückenschmerzen einhergehen, dringend einer qualifizierten Diagnostik, so die Experten der DGRh.

Axiale Spondyloarthritiden (axSpA, M. Bechterew) mit dem Hauptsymptom entzündliche Rückenschmerzen machen etwa 5 Prozent aller chronischen Rückenschmerzen aus und beginnen in der Regel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr (2). Verdächtig sind chronische Rückenschmerzen, die langsam beginnen, sich bei Bewegung bessern und mit Morgensteifigkeit einhergehen. Als sicheres Diagnosekriterium gilt eine Sakroiliitis in der Bildgebung in Verbindung mit klinischen Kriterien oder einem positiven Bluttest auf HLA-B27. Entzündliche Rückenschmerzen bessern sich in der Regel gut unter Therapie mit NSAR.

Bei Patienten mit unspezifischen akuten (< 6 Wochen) und persistierenden (> 12 Wochen) Rückenschmerzen haben sich vor allem Beratung, physikalische Therapie und kognitive Verhaltenstherapie bewährt. Es sei wichtig, dass die Patienten aktiv blieben, weiterhin am täglichen Leben teilnähmen und ihrem Alltag und damit auch ihrer Arbeit nachgingen, betont die DGRh in ihrer Pressemitteilung. In vielen Ländern, vor allem in sozial schwachen Regionen, würden Rückenschmerz-Patienten immer noch zur Schonung und Bettruhe angehalten, kritisiert das internationale Experten-Panel.

Die Evidenzen für Medikamente sind bei unspezifischen Rückenschmerzen eher schlecht. Zusätzlich zu nicht medikamentösen Maßnahmen kommen NSAR infrage. Nicht empfohlen werden Paracetamol und systemische Glukokortikoide. Unklar ist der Stellenwert von Muskelrelaxanzien, Antidepressiva und Antiepileptika. Opiode sollten nur bei sorgfältig ausgewählten Patienten und mit Vorsicht eingesetzt werden. In der Praxis würden sie in vielen Ländern, z. B. den USA, viel zu häufig verschrieben, kritisieren die Experten. Auch interventionelle Verfahren und Operationen würden vor allem in Industrienationen bei chronischen Rückenschmerzen zu häufig und zu früh eingesetzt.

Dringend ist mehr Aufklärung über Rückenschmerzen und leitliniengerechte Behandlungen nötig, schreiben Prof. Dr. Rachelle Buchbinder aus Malvern/Australien und ihre Kollegen (3). Dies sei eine Herausforderung sowohl für die Politik als auch das Gesundheitssystem.

Quellen

  • (1) Hartvigsen J et al.: What low back pain is and why we need to pay attention for it. The Lancet 2018, published online March 2018
  • (2) Foster NE et al.: Prevention and treatment of low back pain: evidence, challenges, and promising directions. The Lancet 2018, published online March 2018
  • (3) Buchbinder R et al.: Low back pain: a call for action. The Lancet 2018, published online March 2018