Wirtschaftlichkeitsprüfung: ab 2017 neue Regeln

Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz hat der Gesetzgeber Änderungen der Regelungen zur Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommen. Die Richtgrößenprüfung wird zum 1. Januar 2017 als – bundesweite – Regelprüfmethode durch geeignete regional vereinbarte Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen abgelöst. Vereinbarungspartner sind die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen bzw. Krankenkassenverbände.

Grundlage der regionalen Prüfvereinbarungen sind die auf Bundesebene durch die KBV und den GKV-Spitzenverband (GKV-SV) geschlossenen „Rahmenvorgaben nach § 106b SGB V für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich veranlasster Leistungen“. Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben sind darin insbesondere der Umfang, in dem Wirtschaftlichkeitsprüfungen mindestens durchgeführt werden zu bestimmen und Vorgaben für ein Verfahren festzulegen, das sicherstellt, das bei erstmaliger Auffälligkeit im Rahmen einer statistischen Prüfung individuelle Beratungen der Festsetzung einer Nachforderung vorgehen.

Geltungsbereich 

Die Rahmenvorgaben gelten für die regional zu vereinbarenden Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Versorgung aller Bereiche ärztlich verordneter Leistungen nach § 73 Abs. 2 SGB V. Darüber hinaus finden sie grundsätzlich auch Anwendung für die Prüfung weiterer Leistungen wie beispielsweise am Krankenhaus erbrachte ambulante ärztliche und belegärztliche Leistungen, Verordnungen im Rahmen des Entlassmanagements, bei Inanspruchnahme eines Krankenhauses, im Rahmen der spezialfachärztlichen Versorgung oder Verordnungen von Hochschulambulanzen.

Umfang der Prüfungen 

Sofern in den regionalen Prüfvereinbarungen statistische Prüfmethoden vereinbart werden, soll/sollen

  • vorrangig Auffälligkeitsprüfungen geregelt werden
  • der Prüfzeitraum ein Jahr umfassen (bei unterjährigem Wechsel der Betriebsstättennummer können abweichende Regelungen getroffen werden)

Die Durchführung der Prüfung kann auf für die Versorgung relevante Anwendungsgebiete beschränkt werden. Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen sind zu regeln, weitere Prüfungsarten können vereinbart werden.

Im Fall von Auffälligkeitsprüfungen sollen maximal fünf Prozent der Ärzte einer Fach- bzw. Vergleichsgruppe geprüft werden (Höchstquote). Darüber hinaus sollen in den regionalen Vereinbarungen bei vereinbarten Zielwerten Auffälligkeitsgrenzen vereinbart werden. Das heißt, dass den verordnenden Ärzten unter anderem „Abweichungen von vereinbarten Zielwerten in einem angemessenen Umfang ermöglicht werden“. Außerdem sieht die Rahmenvorgabe die Möglichkeit („Kann“-Regelung) für die regionalen Prüfvereinbarungen vor, Ärzte mit einem geringen Verordnungsumfang von den Prüfungen auszunehmen sowie Geringfügigkeitsgrenzen zu vereinbaren.

Beratungen 

Die gesetzliche Vorschrift, dass bei erstmaliger Auffälligkeit bei einer statistischen Prüfung zunächst eine individuelle Beratung erfolgt, bevor weitere Maßnahmen festgesetzt werden, wurde umgesetzt. Hierbei gilt:

  • Beratung vor Regress gilt für jeden Verordnungsbereich gesondert (z. B. Arzneimittel, Heilmittel)
  • Es erfolgt keine „Nullstellung“ für Altfälle.

Als wichtige Neuerung konnte erstmalig eine Verjährungsregelung in die Rahmenvorgaben aufgenommen werden: Ein Arzt, bei dem vor mehr als fünf Jahren eine Maßnahme festgesetzt wurde, gilt bei erneuter Auffälligkeit wieder als „erstmalig auffällig“ und erhält demzufolge zunächst erneut eine „Beratung vor weiteren Maßnahmen“.

Für neu zugelassene Ärzte gilt, dass erst ab dem dritten Prüfzeitraum nach Zulassung eine „Beratung vor weiteren Maßnahmen“ festgesetzt werden kann. Damit soll ihnen Zeit gegeben werden, sich mit den Regeln für wirtschaftliches Verordnungsverhalten im vertragsärztlichen Bereich vertraut zu machen.

Die regionalen Vereinbarungen müssen Regelungen zum Inhalt und zur Durchführung der individuellen Beratungen enthalten. Dabei kann festgelegt werden, dass die Beratung statt im Rahmen eines persönlichen Gesprächs schriftlich erfolgt. Möglich ist auch, dass der Arzt auf Wunsch ergänzend mündlich beraten wird.

Über weitere Maßnahmen verständigen sich die regionalen Vertragspartner. Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben kann eine weitere Maßnahme nach erfolgter Beratung insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder Kürzung sein. In diesem Fall sollen – wie bisher auch – gesetzliche Rabatte und Zuzahlungen berücksichtigt werden.

Spezifische Vorgaben  

Die spezifischen Vorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen befinden sich in den Anlagen 1 bis 3 der Rahmenvorgaben:

  • Anlage 1: Spezifische Vorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung verordneter Arzneimittel.
  • Anlage 2: Spezifische Vorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung verordneter Heilmittel.
  • Anlage 3: Spezifische Vorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung der über den Arznei- und Heilmittelbereich hinausgehenden verordneten Leistungen.

In der Wahl der Prüfungsart und -methode sind die regionalen Vertragspartner frei. Dies gilt auch für die zu vereinbarenden Prüfgegenstände. Die Bundesvertragspartner vertreten die Auffassung, das auf der Landesebene auch Regelungen getroffen werden können, die sich auf die Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele der Arzneimittelvereinbarung (§ 84 Abs. 1 SGB V) beziehen (Arznei- und Heilmittelbereich).

Im Arzneimittelbereich können auch Zielkriterien auf Basis eines Kataloges für indikationsgerechte wirtschaftliche Wirkstoffauswahl in versorgungsrelevanten Indikationen (z. B. Medikationskatalog) herangezogen werden. Außerdem sollen auch weiterhin Verordnungen von Ärzten geprüft werden, die an Anwendungsbeobachtungen teilnehmen. Verankert wurde hier außerdem, dass die regionalen Vertragspartner Praxisbesonderheiten vereinbaren können, die vor Einleitung eines Prüfverfahrens berücksichtigt werden sollen. Darüber hinaus kann der Arzt wie bisher auch weitere individuelle Praxisbesonderheiten im Rahmen der Prüfung geltend machen.

Im Heilmittelbereich kann entsprechend der spezifischen Vorgaben regional vereinbart werden, dass die gesetzliche Vorgabe „Beratung vor Regress“ für jeden Zielbereich gesondert gilt (z. B. Physio- und/oder Ergotherapie, Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie sowie Podologie). Für Praxisbesonderheiten wird die Diagnoseliste der bundesweiten Vereinbarung über Praxisbesonderheiten (derzeit in Überarbeitung) Bestandteil der Rahmenvorgaben. Darüber hinaus können die regionalen Vertragspartner regionale besondere Verordnungsbedarfe vereinbaren. Damit diese anerkannt werden können, gilt auch zukünftig, dass neben der Angabe der Diagnose gemäß ICD-10-GM-Code der entsprechende Indikationsschlüssel auf dem Verordnungsvordruck aufgetragen wird.

Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsprüfung weiterer ärztlich verordneter Leistungen wurde in den Rahmenvorgaben lediglich festgelegt, dass in den regionalen Vereinbarungen die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen vorzusehen sind. Verordnungen, die durch die Krankenkassen genehmigt wurden, sind nur insoweit in die Einzelfallprüfung einzubeziehen, wenn begründete Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Verordnungsverhaltens im jeweiligen Verordnungsbereich insgesamt vorgebracht werden.

Fazit 

Die Rahmenvorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen sind die Grundlage für die regionalen Vereinbarungen. Sie beinhalten

  • verbindliche Mindeststandards für die Wirtschaftlichkeitsprüfung,
  • weitere Vorgaben, die durch die regionalen Vertragspartner inhaltlich ausgestaltet werden,
  • Möglichkeiten zur Umsetzung der Wirtschaftlichkeitsprüfung (z. B. Prüfgegenstand), bei denen die regionalen Vertragspartner in der Umsetzung frei sind.

Entscheidend und maßgeblich für den Vertragsarzt ist die jeweilige regionale Prüfvereinbarung, die entsprechend der gesetzlichen Vorgaben bis zum 31. Juli 2016 zu schließen ist und für Verordnungen ab dem 1. Januar 2017 gelten soll.

Die Rahmenvorgabe nach § 106b SGB V für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen können Sie u. a. auf der Web-Site der KBV unter Service/Rechtsquellen/weitere Rechtsquellen/Arznei-, Heil- und Hilfsmittel abrufen.