Defizite bei der Früherkennung von entzündlich-bedingten Rückenschmerzen

74 bis 85 % der Deutschen leiden unter Rückenschmerzen. Meist liegt ein unspezifischer Schmerz vor, bei dem keine genaue Ursache erkannt wird. Bei etwa einem von vier Patienten mit chronischen Rückenschmerzen kann der Grund jedoch eine chronisch-entzündliche Wirbelsäulenerkrankung wie die ankylosierende Spondylitis (Morbus Bechterew) sein. Nur bei etwa jedem vierten dieser Patienten wird nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) eine korrekte Diagnose gestellt.

„Als Ursache für den Rückenschmerz werden entzündlich-rheumatische Erkrankungen häufig gar nicht oder erst zu spät erkannt“, so Dr. Uta Kiltz, Oberärztin am Rheumazentrum Ruhrgebiet (Herne) bei einer Pressekonferenz während der Jahrestagung der DGRh Anfang September in Stuttgart. „Bereits in der Erstversorgung sollten Patienten unter 45 Jahren, die über 12 Wochen chronische Rückenschmerzen haben, auf Charakteristika einer Rheumaerkrankung befragt werden“, empfiehlt Kiltz. „Wacht beispielsweise der Patient aufgrund von Schmerzen regelmäßig in der zweiten Nachthälfte auf oder verbessern sich die Beschwerden bei Bewegung, sollte unbedingt an die Möglichkeit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung gedacht werden.“ Haben Patienten darüber hinaus bereits andere Vorerkrankungen wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder Schuppenflechte, verdichte sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Rückenschmerz bspw. Folge einer axialen Spondyloarthritis (axSpA) sei.

Verspätete Diagnose bei axSpA 

Chronische Rückenschmerzen als Frühsymptom einer axSpA werden vom Primärversorger häufig als unspezifische Kreuzschmerzen fehlgedeutet, so Kiltz. Zwischen Symptombeginn und Diagnosestellung einer axSpA vergingen nicht selten 5-14 Jahre. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass nicht ein einzelnes Symptom wegweisend für die Diagnose sei, sondern die „richtigen“ Patienten aus der großen Gruppe der Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen vorselektiert werden müssten. Bei Verdacht auf entzündlich-rheumatische Rückenschmerzen (Rückenschmerzen ≥ 12 Wochen, die vor dem 45. Lebensjahr begonnen haben, Schmerzen in der zweiten Nachthälfte, die zum Aufwachen führen, Besserung durch Bewegung und nichtsteroidale Antirheumatika) sollten die Patienten zur weiteren Abklärung zum Rheumatologen überwiesen werden. Wegweisend für die Diagnose einer axSpA sei der Nachweis einer Sakroiliitis mit Röntgen und/oder MRT. Die axSpA sei eine potenziell schwerwiegende Erkrankung mit verschiedenen, auch extraartikulären Manifestationen (u. a. Psoriasis, chronisch-entzündliche Darmerkrankung, Uveitis) die ein koordiniertes multidisziplinäres Vorgehen unter der Koordinierung eines Rheumatologen erfordere.

Auch eine Rheumatoide Arthritis (RA), die bekanntlich vor allem die kleinen Finger- und Fußgelenke betrifft, kann Rückenschmerzen verursachen, wenn es zu einer Entzündung in den kleinen Kopfgelenken der Wirbelsäule (Densarthritis) oder zu einer frakturierenden, meist Glukokortikoid-induzierten Osteoporose kommt. Die Wirbelsäulenmanifestation sei in beiden Fällen Folge einer anhaltend hohen Krankheitsaktivität, so Kiltz.

Therapieabbau bei anhaltender Remission 

Viele Patienten äußern nach einer längeren Phase der Beschwerdefreiheit unter laufender Therapie den Wunsch, die Therapie zu reduzieren bzw. zu beenden. „Voraussetzung für einen solchen Therapieabbau ist grundsätzlich – neben dem Einverständnis des Patienten – eine stabile Remission über mindestens sechs Monate“, berichtete Prof. Dr. Klaus Krüger (Praxiszentrum St. Bonifatius, München). Zudem sollten die Patienten zuverlässig überwacht werden können, um eine Verschlechterung nach Reduzierung des Therapieregimes sofort zu erkennen. In der Regel steht am Beginn des Therapieabbaus das Ausschleichen der Glukokortikoidtherapie. In Leitlinien wie den kürzlich aktualisierten EULAR-Empfehlungen zur RA-Therapie (siehe Seite 4 dieser Ausgabe) wird gefordert, Kortikoide (die initial obligatorisch zum Behandlungsplan gehören) möglichst nach drei bis sechs Monaten abzusetzen. Für die weitere Reihenfolge des Abbaus gibt es laut Krüger keine wirklich evidenzbasierten Regeln. Die Entscheidung müsse individuell getroffen werden.

Quelle

  • Pressekonferenz anlässlich des 45. Kongresses der DGRh, Stuttgart, 07.09.2017