Erste Leitlinie zu Diagnostik und Therapie des AOSD

Das Still-Syndrom („Adult-onset Still’s disease“, AOSD) ist eine seltene polygenetische autoinflammatorische Erkrankung, die sich häufig im jungen Erwachsenenalter, vereinzelt jenseits des 60. Lebensjahres manifestiert. Die Studienlage zu dieser Erkrankung und die Erfahrungen in der Praxis sind begrenzt. Helfen kann beim Management der Erkrankung die erste Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des AOSD, die von einer Expertenkommission der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) erarbeitet worden ist.

Rheumatologische Expertise gefragt

Die Inzidenz der AOSD wird auf 0,16 bis 0,4 pro 100.000 und die Prävalenz auf 0,73 bis 6,77 pro 100.000 geschätzt. Das mittlere Alter bei Erstdiagnose liegt bei etwa 36 Jahren. Wegweisend für die Diagnose (und die Therapie) ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachärzte mit der Notwendigkeit einer rheumatologischen Expertise, wird in der Leitlinie betont.

Die Diagnose basiert auf dem Vorliegen einer Kombination typischer klinischer Zeichen unter Ausschluss relevanter Differentialdiagnosen wie anderen entzündlich rheumatischen Erkrankungen, Tumoren und hämatologischen Neoplasien sowie Infektionen. Sehr häufige Symptome (> 50% der Fälle) sind Arthralgien und Arthritiden, die oft Knie, Sprunggelenke und Handgelenke betreffen. Polyartikuläre Verlaufsformen sind häufiger als oligo- oder monoartikuläre Verlaufsformen. Zu den sehr häufigen Symptomen zählen außerdem Fieber > 39 °C, Exanthem, Halsschmerzen, Lymphadenopathie, Myalgien; zu häufigen Symptomen (> 20%) Splenomegalie, Hepatomegalie, Gewichtsverlust; zu den selteneren (< 20%), aber charakteristischen Symptomen Pleuritis, Perikarditis und abdominelle Schmerzen. Die klinische Symptomatik kann durch eine einzelne Episode (monozyklisch), rekurrierende Episoden mit Symptomfreiheit im Intervall (polyzyklisch) oder chronische Verläufe gekennzeichnet sein. Patientenseitig werden Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Erschöpfung (Fatigue) als wesentliche Allgemeinbeschwerden beklagt.

Das AOSD geht mit einer erhöhten Mortalität und Morbidität im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung einher. Die Übersterblichkeit wird insbesondere durch Infektionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie das Auftreten des Makrophagenaktivierungssyndroms (MAS) bedingt. Die Entwicklung eines MAS sollte vor allem beim Vorliegen von Risikofaktoren wie erhöhter klinischer Aktivität sowie Laborauffälligkeiten wie stark erhöhtem Ferritin und Zytopenien evaluiert werden, empfehlen die Experten. Zudem sollte bei länger andauernder, aktiver Erkrankung die seltene Komplikation einer AA-Amyloidose ausgeschlossen werden.

5 Therapieempfehlungen

Folgende Empfehlungen werden zur Therapie gegeben:

  • NSAR und ggf. andere Analgetika und Antipyretika können vorübergehend zur Kontrolle von Symptomen wie Schmerzen und Fieber eingesetzt werden.
  • Systemische Glukokortikoide sollten zur Akuttherapie des AOSD eingesetzt werden.
  • Wegen unerwünschter Wirkungen einer längerfristigen Glukokortikoidtherapie sollten alternative und/oder Glukokortikoid-sparende Optionen erwogen werden. Zu den Kandidaten zählen Tocilizumab, Anakinra, Canakinumab, Methotrexat (MTX) oder Calcineurininhibitoren (insbesondere Cyclosporin A).
  • Interleukin (IL)-1- oder IL-6-Inhibitoren sollten bei AOSD-Patienten eingesetzt werden, die nicht ausreichend auf Glukokortikoide und konventionelle Basistherapeutika wie MTX und/oder Cyclosporin A ansprechen.
  • IL-1-Inhibitoren bzw. IL-1-Rezeptor-Inhibitoren (Anakinra, Canakinumab) können zur Therapie des AOSD auch ohne vorherige Behandlung mit konventionellen Basistherapeutika eingesetzt werden.

Als in Erwägung zu ziehende, ergänzende Therapiemaßnahmen werden physikalische Therapie, Schmerztherapie, Osteoporosetherapie, Thromboseprophylaxe, Rehabilitation/Funktionssport und Selbsthilfegruppen genannt.

Quelle

  • Vordenbäumen S et al.: DGRh-S2e-Leitlinie: Diagnostik und Therapie des adulten Still-Syndroms (AOSD). Z Rheumatol 2022 · 81 (Suppl 1):S1–S20; doi.org/10.1007/s00393-022-01276-4