Heilmittel bei Rheuma regresssicher verordnen

von Silke Jäger, Fachjournalistin Gesundheitswesen, www.silke-jaeger.de 

Eine leitliniengerechte Therapie bei rheumatoider Arthritis schließt eine angemessene Versorgung mit Physio- und Ergotherapie ein. Viele Rheumapatienten müssen jedoch darauf verzichten, weil Ärzte aus Angst vor einem Regress Heilmittel zu zurückhaltend verordnen. Wie eine regresssichere Heilmittelverordnung aussieht, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Therapie erhält Funktionen 

Rheumapatienten profitieren von konservativen Therapieformen, wie Physio- und Ergotherapie, denn sie tragen dazu bei, die Funktionalität der Gelenke zu erhalten. Rheumatologen sollten deshalb nicht nur auf die pharmakologische Therapie setzen, sondern Heilmittel in den Therapieplan integrieren. Nach Aussage des Sprechers der Kommission Pharmakotherapie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), Prof. Dr. Klaus Krüger, erhalten jedoch nur ca. 20 Prozent der Rheumapatienten physikalische Therapie und nur ca. drei Prozent Ergotherapie. Dies sei nach Ansicht Krügers auf die Angst vor Regressen zurückzuführen. Weitere Gründe für die Zurückhaltung bei der Verordnung von Heilmitteln können sein:

  • Das Wissen um den indikationsbezogenen Nutzen von Physio- und Ergotherapie fehlt. Es bestehen Vorurteile bezüglich dieser Therapien.
  • Physio- und Ergotherapie werden häufig als reine Reha-Maßnahmen eingeschätzt.
  • Viele Ärzte konzentrieren sich auf die pharmakologischen Therapieformen.
  • Die Verordnung von Heilmitteln ist relativ kompliziert.

Häufige Fehler bei Verordnungen 

Wie Heilmittel zu verordnen sind, richtet sich nach den Regelungen des Heilmittelkatalogs. Diese Regeln sind jedoch relativ kompliziert, sodass Therapeuten häufig mit fehlerhaften Rezepten zu tun haben, die von den Krankenkassen nicht vergütet werden. Mittlerweile versuchen viele Therapeuten Absetzungen von Verordnungen zu vermeiden, indem sie ein Rezeptprüfverfahren in die Praxisabläufe integrieren. Fallen Fehler auf den Verordnungen auf, geben Therapeuten diese Verordnungen zurück an die Arztpraxis, um sie korrigieren zu lassen. Das stört jedoch die Abläufe in Arztpraxen und führt gegebenenfalls dazu, dass Heilmittel seltener verordnet werden. Typische Fehler beim Ausstellen von Heilmittelverordnungen für Rheumapatienten sind:

  • Das verordnete Heilmittel entspricht nicht dem Heilmittelkatalog.
  • Die verordnete Menge entspricht nicht den Vorgaben des Heilmittelkatalogs.
  • Die Angabe zur Erst- und Folgeverordnung ist fehlerhaft.
  • Der Indikationsschlüssel ist falsch.
  • Die Diagnose fehlt oder ist nicht mit einer Indikation begründet.
  • Die Leitsymptomatik fehlt.
  • Bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls fehlt die medizinische Begründung.

Praxishinweis

Der Referentenentwurf für das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz sieht vor, dass ab August 2016 nur noch Praxissoftware genutzt werden darf, die eine heilmittelrichtlinienkonforme Verordnung unter Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten gewährleisten kann. Ob der Vorschlag im Entwurf in dieser Form auch im späteren Gesetzestext enthalten sein wird, bleibt abzuwarten.

 

Korrekt verordnen 

Gemäß des Heilmittelkatalogs kommen für die rheumatologische Praxis folgende Diagnosegruppen infrage:

  • Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparats
  • Erkrankungen der inneren Organe
  • Chronisches Schmerzsyndrom

Um den Aufwand zu reduzieren, empfiehlt es sich, ein Dutzend Standardverordnungen anzulegen. Die meisten Programme zur Praxisorganisation bieten Vorformulierungen an. Besonderes Augenmerk sollte man auf den Fehler „Überschreitung der Gesamtverordnungsmenge für den Regelfall“ legen. Dabei ist es wichtig, zwischen Erst- und Folgeverordnungen zu unterscheiden. Außerdem wichtig: Empfehlungen für die Therapiefrequenz.

Beispiele 

Bei einem Patienten mit Gonarthrose soll Krankengymnastik mit kombinierter Kältetherapie verordnet werden mit dem Ziel, die Entzündung zu hemmen und die Beweglichkeit zu erhalten bzw. zu verbessern. Mögliche Indikationsschlüssel und Frequenzen sind:

  • Bei kurzfristigem Therapiebedarf: EX1 6 KG, einmal pro Woche
  • Bei mittelfristigem Therapiebedarf: EX2 maximal 3-mal 6 KG, 2-mal pro Woche
  • Bei langfristigem Therapiebedarf: EX3 maximal 30 Einheiten, davon jeweils maximal 10 Einheiten für Massagetechniken und standardisierte Heilmittelkombinationen, mindestens 2-mal pro Woche

Bei einer Patientin mit MCP-Schwellungen im Anfangsstadium einer rheumatoiden Arthritis sollen Gelenkschutzmaßnahmen und Maßnahmen zur Entzündungshemmung durchgeführt werden. Mögliche Indikationsschlüssel und Frequenzen für eine ergotherapeutische Verordnung sind:

  • Bei kurzfristigem Therapiebedarf: SB 4 10 ET, einmal pro Woche
  • Bei langfristigem Therapiebedarf: SB 5, maximal 20 Einheiten, mindestens einmal pro Woche

Praxishinweis

Ein Wechsel der Diagnosegruppe ist nur aufsteigend möglich, die bereits erfolgte Verordnungsmenge der niedrigeren Diagnosegruppe (zum Beispiel B. SB-4 bzw. EX-1 und EX-2) muss auf die Gesamtverordnungsmenge angerechnet werden.

 

Wer das korrekte Verordnen üben möchte, kann die Multiple-Choice-Aufgaben der AOK nutzen. Sie finden sie unter www.aok-gesundheitspartner.de > Arzt und Praxis > Praxiswissen Quickcheck. Hier gibt es derzeit noch drei weitere Lernprogramme für Ärzte und Praxisteams

Checkliste „Heilmittelverordnung“

  • Ist der Indikationsschlüssel vermerkt?
  • Entspricht die Gesamtverordnungsmenge dem Regelfall?
  • Wurde nach der vorherigen Regelfallverordnung eine 12-wöchige Therapiepause eingehalten?
  • Entspricht die Anzahl der Behandlungen pro Rezept den Vorgaben (6-mal Physio-, 10-mal Ergotherapie)?
  • Sind maximal zwei Heilmittel auf einem Rezept vermerkt (ein vorrangiges, ein optionales)?

Bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls:

  • Verlangt die Kasse des Patienten eine Genehmigung?
  • Ist die Verordnung medizinisch begründet?
  • Ist die Verordnungsmenge so bemessen, dass nach 12 Wochen eine Entscheidung über weitere Verordnungen möglich ist?