Infektanfälligkeit bei Rheumapatienten besser verstehen

von Dr. med. Marianne Schoppmeyer, Ärztin und Medizinjournalistin, Nordhorn, www.medizinundtext.de

Unter chronischen rheumatisch-entzündlichen Erkrankungen leiden in Deutschland mehr als eine Million Menschen. Als wäre diese Erkrankung allein nicht schon Belastung genug, wird sie meist von einer erhöhten Infektanfälligkeit begleitet. Eine mögliche Ursache dafür haben nun Wissenschaftler am Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung Twincore in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gefunden: Die Abwehrzellen von Rheumapatienten sind erschöpft – sie leiden sozusagen an einem T-Zell-Burnout.

Rheumapatienten sind infektanfällig 

Rheumapatienten nehmen häufig Immunsuppressiva ein, die die normale Funktion des Immunsystems unterdrücken. „Immunsuppressiva können aber nicht der einzige Auslöser für die erhöhte Infektanfälligkeit von Rheumapatienten sein, denn auch Rheumapatienten, die nur Schmerzmittel einnehmen, leiden häufiger unter schweren Infekten“, sagt Dr. Theresa Frenz, Wissenschaftlerin am Twincore.

Sie konnte für ihre Forschung Patienten der MHH mit zwei verschiedenen Rheumaerkrankungen gewinnen: 30 Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) und 30 Patienten mit Spondyloarthritis. Als Kontrolle dienten 30 gesunde Probanden.

Aus dem Blut der Studienteilnehmer isolierten die Forscher T-Helferzellen (CD4-Zellen). T-Helferzellen spielen eine zentrale Rolle im Immungeschehen. Sie regen die zuständigen B-Zellen zur Produktion von Antikörpern an und unterstützen andere T-Zellen. Gleichzeitig können T-Helferzellen jedoch auch Mitverursacher rheumatisch-entzündlicher Erkrankungen sein.

Physiologische T-Zell-Antwort 

T-Helferzellen besitzen unterschiedliche Rezeptoren. Der Hauptrezeptor bindet normalerweise Teile von Krankheitserregern, die durch eine antigenpräsentierende Zelle (APC) angeboten werden. Daneben gibt es Ko-Rezeptoren, die die Funktion der T-Helferzellen mitsteuern:

  • Aktivierende Rezeptoren (z. B. CD28-Rezeptor) sorgen dafür, dass die T-Helferzellen sich teilen, Botenstoffe ausschütten und das restliche Immunsystem aktivieren.
  • Inhibierende Rezeptoren (z. B. CTLA-4) fahren dann später – wenn die Infektion überstanden ist – das aggressive Abwehrprogramm zurück und lassen die Zellen absterben.

T-Zell-Antwort bei Rheumapatienten 

„Bei Rheumapatienten ist diese klare Trennung in Aktivierung und Inhibition aufgehoben. Die Zellen befinden sich in einem unklaren Zustand, gefangen zwischen Teilung und Tod, und können nur unzureichend für eine Abwehrreaktion gegen Krankheitserreger aktiviert werden. Schaden können sie jedoch immer noch anrichten!“, hat Theresa Frenz beobachtet. In dem beschriebenen Zwischenzustand können T-Helferzellen noch Tumornekrosefaktor (TNF) ausschütten.

TNF gehört zu einer Gruppe Zytokine, die die Akute-Phase-Proteine aktivieren und die für die Rheumasymptome verantwortlich sind. Die Immunzellen sind bei Rheumapatienten erschöpft – ähnlich wie bei einer chronischen Virusinfektion – und können schlechter auf angreifende Krankheitserreger reagieren als bei gesunden Menschen. Dies begünstigt eine Immunschwäche.

Abatacept bessert Zellerschöpfung 

Unter den unterschiedlichen Rheumamedikamenten, die auf dem Markt sind, ist das Biologikum Abatacept in der Lage, die beschriebene Zellerschöpfung zu lindern – es bringt sozusagen die erschöpften T-Helferzellen wieder in ihr inneres Gleichgewicht zwischen Aktivierung und Inhibition.

Abatacept ist ein Fusionsprotein, das an antigenpräsentierende Zellen binden kann und so die Stimulation der T-Helferzellen unterbindet. Es ist in Deutschland in der Kombination mit Methotrexat zur Therapie der RA zugelassen. Aufgrund der Nebenwirkungen sollte es jedoch nur verordnet werden, wenn die Therapie mit DMARDs einschließlich Methotrexat und TNF-Inhibitoren nicht erfolgreich war.

Quellen

  • Frenz T. et al.: CD4 T cells in patients with chronic inflammatory rheumatic disorders show distinct levels of exhaustion. J Allergy Clin Immunol 2016,138:586-589.
  • Mitteilung des Twincore vom 6.6.2016: Ursache für erhöhte Infektionsanfälligkeit bei Rheuma geklärt