Kein Anspruch bereits regressierter Ärzte auf „Beratung vor Regress“

von RAin Dr. Anna Lauber, www.kanzlei-am-aerztehaus.de , Münster und RA Nico Gottwald, Sindelfingen, www.rpmed.de 

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem Urteil vom 25. Oktober 2014 keine vollständige „Nullstellung“ der Richtgrößenprüfung aufgrund des 2012 eingeführten Grundsatzes „Beratung vor Regress“ vorgenommen. Das bedeutet: Bei Vertragsärzten, gegen die bereits einmal ein Richtgrößenregress ausgesprochen wurde, greift die Regelung nicht. Vertragsärzte, die ihre Richtgrößen bislang noch nicht – durch die Prüfgremien förmlich festgestellt – um mehr als 25 Prozent überschritten haben, können sich hingegen auf die Regelung berufen (Az. B 6 KA 8/14 sowie B 6 KA 3/14).

Die Fälle 

Ein hausärztlicher Internist aus dem KV-Bezirk Nordrhein sowie ein Orthopäde aus Baden-Württemberg wandten sich gegen Regressbescheide, die Mitte 2012 durch den jeweiligen Beschwerdeausschuss für die Prüfjahre 2009 bzw. 2008 festgesetzt worden waren.

Anfang 2012 hatte der Gesetzgeber § 106 Abs. 5e S. 1 SGB V eingefügt, wonach bei erstmaliger Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 Prozent vor dem Ausspruch eines Regresses eine individuelle Beratung erfolgen müsse. Am 26. Oktober 2012 und somit nach Ausspruch der Regresse in den beiden Fällen stellte der Gesetzgeber ergänzend in Satz 7 der Regelung klar, dass der Grundsatz „Beratung vor Regress“ auch für Verfahren gilt, die am 1. Januar 2012 noch nicht abgeschlossen waren.

Die Ärzte beriefen sich darauf und hielten die Bescheide daher für rechtswidrig.

Die Entscheidungen 

Dem folgte das BSG nicht. Die Regelung des Gesetzgebers vom 26. Oktober 2012 sei keine „Klarstellung“, sondern eine Neuregelung, die erst ab diesem Zeitpunkt gelte. Zudem könne der Orthopäde sich auch nicht auf die Regelung berufen, da er 2008 nicht „erstmals“ seine Richtgrößen um mehr als 25 Prozent überschritten habe. Es erfolge keine „Nullstellung“ der Wirtschaftlichkeitsprüfung ab 2012. Vielmehr entfalle die „Erstmaligkeit“ und damit der Beratungsvorrang, wenn ein Vertragsarzt – durch die Prüfgremien förmlich festgestellt – sein Richtgrößenvolumen um mehr als 25 Prozent überschritten habe.

Soweit den Krankenkassen ab dem 26. Oktober 2012 durch die Rückwirkung der Neuregelung auf zurückliegende Prüfzeiträume etwaige Regresse entgingen, sei dies rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kassen besäßen hier keine schutzwürdige Rechtsposition.

Fazit

Das BSG hat die von vielen Ärzten erhoffte „Nullstellung“ verneint und somit der Ansicht eine Absage erteilt, dass es regressmäßig ab 2012 einen völligen Neubeginn gegeben hat, wonach bei einem Regress immer zunächst eine Beratung erfolgen müsse. Eine vollständige Bewertung der Auswirkungen des Urteils wird erst möglich sein, wenn die Urteilsgründe vorliegen – so etwa die Frage, ob mit „förmlicher Feststellung“ die Rechtskraft gemeint ist.