Können Apps die Früherkennung rheumatologischer Erkrankungen verbessern?

Smartphone-Apps können für viele Bereiche unseres täglichen Lebens eine wertvolle Unterstützung sein. Auch medizinische Apps, z. B. für die Frühdetektion von Erkrankungen oder zur Unterstützung beim Krankheitsmanagement, finden zunehmend größere Verbreitung. Haben mobile Apps in der Rheumatologie für Patienten oder Ärzte bereits einen größeren Stellenwert? Der aktuelle Stand wurde beim DGRh-Kongress in Dresden präsentiert.

Patienten und Gesundheits-Apps

Die Bereitschaft zur Nutzung von Gesundheits-Apps ist groß. Laut Befragungen finden rund zwei Drittel aller Patienten medizinische Apps hilfreich, berichtete Dr. Johannes Knitza vom Universitätsklinikum Erlangen. Aktuell nutzen solche Apps allerdings nur vier Prozent der Befragten.

Die meisten Gesundheits-Apps werden zur Beschleunigung der Diagnose oder zum Monitoring des Krankheitsverlaufs entwickelt. Auch erste positive Daten gibt es bereits, z. B. für die App „Ada“, die über eine Befragung der Nutzer die Früherkennung von seltenen Erkrankungen verbessern soll. „Bei der Hälfte der Patienten wurde mithilfe der App die Zeit bis zur Diagnosestellung deutlich verkürzt“, berichtete Knitza. Das Problem ist: Die Algorithmen auf Basis individueller Fragen und Antworten seien noch nicht ausgereift. Fehl- und Überdiagnosen seien beim Einsatz solcher Apps bisher häufig.

Rheuma-Apps im Test

Auch im Bereich der Rheumatologie sind bereits eine Reihe mobiler Apps verfügbar. Knitza und seine Kollegen haben 16 Rheuma-Apps beurteilt, die sowohl im Apple App Store als auch im Google Play Store auf Deutsch verfügbar waren und als unabhängig eingestuft wurden, davon neun für Patienten und sieben für Rheumatologen. Diese Apps wurden mit der Mobile App Rating Scale (MARS) nach den Kategorien Nutzereinbindung, Funktionalität, Ästhetik und Informationsqualität bewertet.

Die höchste Punktzahl erzielte die App „Rheuma Auszeit“ mit einem Score von 4,19 (maximal 5), berichtete Knitza. Diese App wurde maßgeblich von Patienten mit entwickelt und vermittelt außer Informationen zur Erkrankung in Form von Video- sowie Audio-Files auch Techniken zur besseren Krankheitsbewältigung. Einige weitere Rheuma-Apps für Patienten setzen ebenfalls vor allem auf gute Informationen in Wort und/oder Bild („Meditorium“, „Rheuma Edu“), andere unterstützen die Patienten durch ein Angebot von Tagebuchfunktion oder Erinnerungen an die Einnahme der Medikation (z. B. „RheumaLive“, „RheumaBuddy“, „Psoriapp“, „Lupuslog“). Bisherige Apps für Rheumatologen (z. B. „Rheumatologie App“, „RheumaGuide“, „ASAS App“) enthalten i. d. R. Leitlinienempfehlungen zur Diagnose und Therapie sowie einen Risikokalkulator.

Rheumatologen und Rheuma-Apps

Auch unter Rheumatologen ist die Bereitschaft zur Nutzung solcher Apps groß. Bei einer Befragung im Jahr 2018 gaben etwa die Hälfte der Rheumatologen an, solche Apps bereits zu nutzen, und mehr als zwei Drittel planten dies, berichtete Knitza. Allerdings: So nützlich Informationen aus Rheuma-Apps für den einzelnen sein können, es gibt bisher keine Studiendaten, dass durch die Nutzung solcher Apps der Krankheitsverlauf oder die Versorgung von Rheuma-Patienten positiv beeinflusst werden können.

Rheuma-VOR Screening-App

Aktuell wird in mehreren deutschen Rheumazentren das Potenzial der Rheuma-VOR Screening-App zur Optimierung der Früherkennung von Rheumatoider Arthritis, Psoriasis-Arthritis und axialer Spondyloarthritis untersucht. Mit dem Projekt wurde vor drei Jahren begonnen. Seit Oktober 2018 werden die Apps, verfügbar für iOS und Android, im Rahmen der Screeningsprechstunde am ACURA Rheumazentrum in Bad Kreuznach eingesetzt, berichtete Dr. Matthias Dreher aus Mainz. Eine weitere Validierung ist mit einer nicht vorselektierten Kohorte im Zuge der Rheuma-Bus-Tour 2019 geplant. Das Ziel ist es, für Patienten mit einem Erstverdacht einer rheumatologischen Erkrankung frühzeitiger eine Abklärung durch einen Rheumatologen zu erreichen.

Zur ersten Beurteilung eines Verdachts enthält die App 17 Fragen auf Basis der Leitlinien (z. B. ob der Patient seit mindestens sechs Wochen > 2 geschwollene Gelenke hat), die mit „Ja“, „Nein“ oder „Weiß nicht“ beantwortet werden sollen. Das Beantworten der Fragen benötigt ungefähr vier Minuten. Die Verdachtsdiagnosen basieren auf einem kumulierten Score. Einige Diagnosen werden bereits nach wenigen Fragen ausgeschlossen bzw. bestätigt. In der 15-minütigen Sichtungssprechstunde wurde die App bisher bei 309 Patienten verwendet, berichtete Dreher. Die Sensitivität der 17 App-Fragen für das Vorliegen einer rheumatologischen Erkrankung betrug 82,5 Prozent, die Spezifität allerdings nur 26,9 Prozent. Bei Hinweisen auf eine rheumatologische Erkrankung bei der Befragung sollen im nächsten Schritt vier Laborparameter beurteilt werden, darunter C-reaktives Protein. Ziel ist es, den Algorithmus weiter zu entwickeln, um die Spezifität zu steigern.

„Apps haben das Potenzial, die Gesundheitsversorgung zu verbessern“, resümierte Knitza. Es seien allerdings die Evidenzen dafür gering und noch mehr Studien erforderlich. Unklar ist derzeit auch, ob medizinische Apps wie Rheuma-VOR als Medizinprodukt zugelassen werden müssen. Dies wird derzeit geprüft.

Quelle

  • 47. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), Dresden, 04.–07.09.2019, Session: „E-Health/digitale Medizin“. Dr. Matthias Dreher, Mainz; Dr. Johannes Knitza, Erlangen